Vita

1951 bis 1969 So geht es Bobingen zu

Der aufregendste Beruf, den ich mir nach der Mittelschule vorstellen konnte, war Schaufensterdekorateur. Aber nicht einmal das war in der Arbeiterfamilie, aus der ich stamme, denkbar. In Bobingen ging man zu den Farbwerken Hoechst, und mein Vater – der sein Leben lang die blauen Kittel der Arbeiter getragen hatte – sagte, ich müsse zu den Chemikern, die hätten weiße Arbeitsmäntel, schon als Lehrling. Meine Mutter pflichtete ihm bei. Hoechst sei eine sichere Sache, und ich könne Mittag zum Essen nach Hause kommen. Also wurde ich Chemielaborantenlehrling.

Ich verließ Bobingen im Alter von 18 Jahren,  studierte in Aachen und wurde 1977 in München Vater.

1976 bis 2013 Wildwasserjahre:
Im Kajak, zu Fuß und mit Rad – Einmal um die halbe Welt

Ich wurde im Wallfahrtsort Altötting geboren. Zu einem Wallfahrtsort pilgert man, daher ging ich erst mal auf Reisen, um in der Ferne die Sehnsucht nach der Heimat zu spüren. Aber kaum war ich heim gekommen, musste ich wieder fort, irgend ein abenteuerliches Ziel fand sich immer.

Ich sammelte Flüsse, am liebsten solche, auf denen ich von der Quelle bis zur Mündung ins Meer paddeln konnte. Ich befuhr den Sungai Alas in Sumatra und paddelte auf dem Dades durch die Schluchten des Hohen Atlas. Als der Oued Dades in der Sahara versickerte, lud ich mein Gepäck auf Kamele und ritt weiter. Immer wieder zog es mich nach Indien. Ein Sadhu, mit dem ich einige Wochen wanderte, erzählte mir, wie Ganga, die Tochter des Himalaya, auf die Erde kam. Shiva fing den ungestümen Fluss in seiner Haarkrone auf und bewahrte so die Erde davor, auseinander zu brechen. Jede Pilgerreise zu den Quellen des Ganges verkürzt die Zahl der Widergeburten, erzählte er, und ein Bad im Gletschertopf wäscht die Sünden von drei vergangenen Leben ab. Also wanderte ich nach Gaumukh, dem heiligsten Ort Indiens.  In 4214 Metern bricht der Ganges aus einem Gletschertor  hervor. Hier zog ich mich nackend aus und tauchte drei Mal im heiligen Wasser unter.

Das Reisen war mir längst zur Lebensform geworden. Kajakfahren im Tien Shan-Gebirge, in Costa Rica, der Dominikanischen Republik und im Chinesischen Meer. Mit dem Fahrrad quer durch den Sinai, im Geländewagen durch Mali, Mauretanien und Burkina Faso. Ohne Internet, Google maps und Handy, aber immer by fair means.

Bilder und Geschichten wurden gedruckt, ich wurde Redakteur bei EVEREST und gründete 1982 die Werbeagentur power-riegel.de.  Als ich älter wurde, kaufte ich mir ein Häuschen, das mich wie ein Anker zu Hause festhalten sollte. Nach ein paar Jahren war die Kette durch gerostet, es zog mich weiter, in ein Haus aus dem 16. Jahrhundert, in dem es keinen einzigen rechten Winkel gab. Unbemerkt hatte ich mich meinem Geburtsort, dem Wallfahrtsort Altötting, genähert. Weiter zurück in den Mutterleib ging es nicht mehr.

Seit 2004 Klein Markow, Mecklenburg
Opa am Ende einer Schlaglochpiste

Vielleicht, vermutete ich, könnte die Heimat ganz wo anders liegen, weit weg von dem Ort meiner Geburt, und so entschied ich mich für ein Dorf in Mecklenburg, in dem mehr Hühner als Menschen leben. Meine Frau war aus dem Norden zu mir in den Süden gekommen, aber da war nur mein Leben. Ein Leben zu Zweit, das erst im Alter beginnt, verlangt nach einem Ort, den man gemeinsam schafft und zur gemeinsamen Heimat macht. Klein Markow war so ein Ort.