Fliehende Zeit

Im Jahr 2004, bei der Ankunft auf seinem Hof in Klein Markow, legte sich Franz Riegel auf einer übrig gebliebenen Betonfläche einen Spiegel zu Füßen, den er über Jahre den Elementen aussetzte. Den langsamen Prozess der Verwitterung, die Flüchtigkeit der Spiegelungen, die stetige Veränderung von Farbe, Konsistenz und Formenspiel dokumentierte er fotografisch und verarbeitete diese Fotografien später zu digitalen Bildern, die Zeit als Fluss steter Veränderung sichtbar machen.

 

Das Winterkamel im Spiegel

von Dr. Brigitte Arend

Franz Riegel erzählt von Eva, der Schlange, dem Paradies und dem Apfel. Er wartet, nicht sehr geduldig.
Auf den Kopf stellen müsste man es, sage ich nach einer Weile. Mich fröstelt. Das sind Schneefarben, teilweise schimmert das Braun der Erde durch, ein wenig angeschmuddelt. Ein Wechsel zwischen verwischten und herausplastizierten Konturen, kristallin und amorph. Unten im Bild schneit es. Während ich in das Schneegestöber hineingesogen werde, versuche ich, mich zu orientieren. Es ist sehr kalt, alles ist gefroren. Hinter den Schneeflocken zieht eine Fata Morgana vorbei, die Luftspiegelung eines Kamels. Dreh mal um, sage ich: Das Bild heißt „Winterkamel zieht durch die Atacamawüste“. Nach einer Weile der Versenkung in dieses Bild, während meine Gedanken in vergangenen Wintern herumspazierten und ich Eis schmeckte und fühlte, tauche ich wieder auf. Ich kann das Kamel nicht mehr sehen. Als sei es fortgezogen. Doch, dort weit, hinter dem Schneetreiben kann ich es noch erahnen.

Franz Riegel dreht sein Bild entschlossen wieder in die alte Position. „Das Bild zeigt Eva mit der Schlang. Übrigens bin ich tatsächlich auf einem Kamel durch die Wüste geritten, tagsüber sehnte ich mich manchmal nach Winter.